Einig, aber keine Einigkeit.

Fasst man alle Aussagen zusammen, so waren sich alle Experten darin einig, dass ein innerstädtischer Flughafen nicht mehr zeitgemäß ist. Schon aus gesundheitlichen Gründen ist er bedenklich und das Gefahrenpotenzial ist zu hoch. Aber, und hier scheiden sich die Geister, einige Gutachter wollen einen Notfallflughafen in abgespeckter Form aufrechterhalten.

Das soll man mal den Berlinern erzählen, die beim Flug in den Urlaub zu faul sind, nach Schönefeld zu fahren. Das müssten sie nach Ansicht aller Befürworter Experten wohl doch tun. Denn die Frage der Offenhaltung hängt nach deren Meinung mit der angeblich mangelnden Kapazität des BER zusammen. Nach Prof. Dr. Giemulla (u.a. Luftverkehrsrecht TU Berlin) soll er Regierungsflüge (wozu gibt es eigentlich das Regierungsterminal am BER?), Geschäftsflieger und Flüge bei Großereignissen aufnehmen – nix Ryan-Air, nix Easy-Jet, nix, nix, nix.

Ähnlich argumentierte auch der in der Vergangenheit behaftete Flughafenplaner Faulenbach da Costa. Er hob ebenfalls auf die Kapazität des BER ab und schlug einen stark eingeschränkten Flugbetrieb für vier bis fünf Jahre vor. Bei all seinen Ausführungen hatte man den Eindruck, er habe immer noch nicht verwunden, dass man seinem Vorschlag „Sperenberg mit 6 Start- und Landebahnen“ nicht gefolgt war. Auch er will am Flughafen TXL dann nur noch kleine Flugzeuge im Regionalverkehr fliegen lassen. Also nix Mallorca!

Sowohl Giemulla als auch Faulenbach da Costa streben eine dritte Landebahn an, wie sie auch die AfD forderte. Die planungsrechtlichen Konsequenzen und die zu erwartenden Klagen hätten eine jahrelange Verzögerung mit ungewissem Ausgang zur Folge. Nebenbei bemerkt, der Monsterflughafen Heathrow hat seine dritte Landebahn geschlossen und nutzt die Flächen als Rollfeld und für Abstellplätze.

Den Hammer lieferte die Dame von der FDP. Zur Erinnerung, der Volksentscheid dieser Partei hatte keinen gesetzlich bindenden Charakter und forderte nur Gespräche des Berliner Senats mit den Anteilseignern Brandenburg und Bundesrepublik Deutschland. Dem kam der Senat nach. Da aber aufgrund des Konsensbeschlusses von 1996 alle drei Partner dem Antrag auf Offenhaltung hätten nachkommen müssen, kam es zu keiner Änderung. Da schrie die FDP „Verrat am Bürger“. Eine weitere Verdummungstaktik. Und jetzt haut diese Dame raus, man solle doch die Beuth-Hochschule, den Technologie- und Industriepark sowie den Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld ansiedeln. Geht’s noch? Das, und nur das, wäre eine Missachtung dieses damaligen Volksentscheids, der gesetzesverbindlichen Charakter hatte. Dazu müsste man das Ergebnis dieses Volksentscheids per Gesetz ändern. Danke FDP.

Will man Tegel offenhalten, müsste zunächst der Konsensbeschluss aufgehoben werden. Darüber hinaus stellte der Leiter des Umwelt- und Naturschutzamtes beim Bezirksamt Neukölln, Teschner-Steinhardt, fest, dass bei der Errichtung des Flughafens Tegel die Alliierten keinerlei deutsches Planungsrecht beachtet hatten und diesen zunächst als Militärflughafen betrieben haben. Daher müsse in jedem Fall ein neues Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden, bei dem natürlich auch die Bürger zu beteiligen sind. Auch die Flugrouten müssten bei einem Parallelbetrieb geändert werden. Dies dauere mehr als ein Jahr. Naja, dann hätten ganz viele Berliner was vom Flugverkehr – Lärm und Dreck.

So ist es geplant, und so soll es werden

Dem angesprochenen Kapazitätsproblem widersprach der Flughafenchef Prof. Dr. Lütke Daldrup ausdrücklich. Der Masterplan gehe von einem nachhaltigen Wachstum aus und die Startkapazitäten seien, auch ohne das Terminal T2, ausreichend. Man plane an drei Tagen, an denen erfahrungsgemäß weniger Flüge stattfinden, umzuziehen. Und Flughäfen mit 2 Bahnen können nachweislich eine Kapazität von 60 Millionen Passagieren bewältigen. Ein Parallelbetrieb verbiete sich auch deshalb, weil beim Umzug alles flugtechnisch relevante Inventar zum BER transportiert werde und auch das Personal an diesem Ort benötigt werde. Neben den oben angesprochenen Flugrouten nannte Lütke Daldrup noch einen zusätzlichen Finanzbedarf von geschätzt mindestens 100 bis 200 Millionen Euro pro Jahr.

Darüber hinaus widersprach er der Behauptung der FDP, der BER sei verkehrstechnisch schlecht angebunden und belegte dies mittels Aufzählung der Anbindungen an den ÖPNV und die Bahn. Hierbei strebt man eine Quote von70% an (Düsseldorf 30%). Den Hinweis auf den am schlechtesten angebundenen Flughafen überhaupt, nämlich TXL, konnte er sich dabei nicht nehmen lassen.

Für Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer der AG Dt. Verkehrsflughäfen, ist der „Point of no return“ erreicht und sein Verband gehe von einem Single-Airport am Standort Schönefeld aus. Außerdem gelte der Vertrauensschutz. Die Minderung des Fluglärms durch Abbau der Landebahnen von sechs auf zwei habe man den Menschen in den Einflugschneisen versprochen. Dies müsse man dann auch halten. Eine Offenhaltung Tegels würde nach EU-Recht mindestens 1,4 Milliarden Euro an Kosten verursachen. Außerdem habe man kein Personal für den Parallelbetrieb von zwei Flughäfen.

Dem Hinweis auf den Vertrauensschutz konnte sich Klaus Dietrich, Bürgerinitiative „Tegel schließen – Zukunft öffnen“, voll anschließen. Der Konsensbeschluss, nach dem TXL innerhalb eines halben Jahres geschlossen werden muss, gelte, da nach den Ausführungen von Lütke Daldrup die Kapazität des BER ausreichend sei.

TXL-Schließung ist ein Geschenk für Berlin

Ein Geschenk für Berlin, so nannte Prof. Dr. Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH den Rückfall des 500 Hektar großen Flughafengeländes an die Stadt. An einem Ort befinden sich Forschung, Industrie, Gewerbe und Wohnungen – alles miteinander verknüpft. Hier soll die Urbanität der Zukunft erforscht und gelebt werden. Das schlägt sich bei der geplanten energetischen Versorgung nieder und führt weiter zu den nach modernsten Erkenntnissen gestalteten Wohneinheiten. Hier entstehen Konzepte für die urbane Zukunft, die der Schlüssel für die Entwicklung des Weltklimas sein können, denn die größten Veränderungen finden in urbanen Räumen, also Städten, statt.

Im Sommer 2021 findet die Übergabe statt und dann werden die Baumaschinen aufs Gelände rollen. Die Zahlen, die er nannte, sind beeindruckend: 1.000 Unternehmen mit 20.000 Arbeitsplätzen und eine Bruttowertschöpfung von 2,2 Milliarden Euro liefern 300 Millionen Euro Steuern.

Hinzu kommt noch das zweite Großprojekt, das an der Schließung von TXL hängt. Siemensstadt 2.0 mit dem Bereich Gartenfeld. Beide Projekte zusammen bieten die Chance für Berlin, in der ersten Liga der Städte weltweit mitzuspielen.

Die Beuth-Hochschule ist die Keimzelle der Entwicklung der „Urban Tech Republic“, die auf dem TXL-Gelände entwickelt werden soll. Mit 12.000 Studierenden und den meisten Absolventen im MINT-Bereich, liegt sie laut Prof. Dr.-Ing. Werner Ullmann (Präsident der Beuth Hochschule für Technik Berlin) unter den zehn größten deutschen Hochschulen weit vorn. Für die Beuth-Hochschule ist das Projekt der Nachnutzung von existenzieller Bedeutung, da für sie ein Flächenbedarf von bis zu 20.000 m2 festgestellt wurde.

Den Plan eines Parallelbetriebes von Hochschule und Flughafen nannte er schlicht unsinnig. Und auch eine Verlagerung nach Tempelhof sei aufgrund der Entfernung und der Verkehrlichen Situation nicht sinnvoll.

Gerade für den MINT-Bereich sei die Planung der Urban Tech Republic eine einmalige Chance. Man brauche diese Flächen dringend und Beuth sei der Nukleus dieses europaweit einmaligen Projektes.

Die Rechtslage

Eine Kündigung des Konsensbeschlusses hält Prof. Giemulla für durchaus möglich, da dieser von den Anteilseignern nicht als Gebietskörperschaften abgeschlossen wurde, sondern nach Privatrecht. Auch den Vertrauensschutz ließ er nicht uneingeschränkt gelten.

Jürgen Kipp, (Rechtsanwalt, ehem. Präsident des OVerwG Berlin-Brandenburg) sah bei einer Änderung des Konsensbeschlusses rechtliche Hindernisse. Nach dem Landesentwicklungsgesetz Berlin/Brandenburg wird der BER als Single-Airport in den Rechtsverordnungen festgelegt. Alle Klagen gegen diese Festlegung wurden abgewiesen und dies wurde vom Bundesverwaltungsgericht und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.

Eine weitere Klage hält er zwar für möglich, aber dies sei ein Katastrophenszenario von jahrelanger Dauer und nicht absehbaren Kosten. Rechtlich gibt es nach Eröffnung des BER keine Flughafenfläche mehr in Berlin. Sie müsste neu gewidmet werden und alle Forderungen des EU-Rechts erfüllen.

Fazit

Einen zweiten „Großflughafen“ zur Abwicklung des Reiseverkehrs von Touristen wollte nur die FDP. Einen kleinen Notflughafen wollten zwei Gutachter. Alle anderen freuten sich auf die Zukunft einer starken Region im Norden Berlins, die für den Stadtteil und die gesamte Stadt einen riesigen Schritt nach vorn bedeuten würde.